Die Aussage des Urteils, zu dem das Verwaltungsgericht Frankfurt im Oktober vergangenen Jahres gelangte, ist unmissverständlich: Die Rechtsverordnung aus der NS-Zeit, welche den Vermittlern die Provisionsabgabe von Lebensversicherungen seit 1934 verbot, ist mangels ausreichender Bestimmtheit mit dem Grundgesetz unvereinbar und damit ungültig. "Artikel 123 Absatz 1 im Grundgesetz bestimmt, dass altes Recht nur fortgilt, wenn es dem Grundgesetz nicht widerspricht. In der Folge wäre die umstrittene Verordnung bereits seit dessen Einführung, also seit 1949 ungültig", erläutert Dr. Andreas Sasdi.
Mit der Zurücknahme der Revision seitens der Bafin im Februar dieses Jahres wurde die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt rechtskräftig. Doch welche Tragweite hat das Urteil? Zwar liegt die Verwerfungskompetenz von vorkonstitutionellen Rechtsnormen, wie dem Provisionsabgabeverbot, bei den Gerichten. Doch konnte das Verwaltungsgericht Frankfurt nur im konkreten Verfahren über die Ungültigkeit und damit über die fehlende Anwendbarkeit entscheiden. Berechtigt, die Verordnung allgemeinverbindlich aufzuheben, ist aber nicht das Gericht, sondern der Verordnungsgeber und somit die Bafin.
Es wäre nun also an der Bafin, die Vorgaben des Gerichts umzusetzen, doch sie befindet sich seit Prozessverlust auf Tauchgang. "Angesichts der Deutlichkeit des Urteils ist es absolut unverständlich, dass die Bafin nicht zügig reagiert und Klarheit schafft, sondern die Verordnung ihrerseits noch einmal grundsätzlich prüfen will, vor der höchstrichterlichen Prüfung aber gleichzeitig mit Rücknahme der Revision scheinbar zurückschreckt", so Uwe Lange, Geschäftsführer von AVL.
Durch dieses Verhalten der Bafin tappen Vermittler und Verbraucher weiterhin im Dunklen. Die Bafin hat zwar erklärt, sie werde vorerst bei Verstößen keine Verfahren einleiten, bis sie ihre Überprüfung abgeschlossen hat. Lange: "Was sie überprüft, hat sie indes nicht erklärt. Im Übrigen ist das Ganze nicht mehr als eine Absichtserklärung, die die Bafin nicht bindet." In der Konsequenz bedeutet das: "Derzeit kann nur bei AVL mit Sicherheit garantiert werden, dass eine Provisionsabgabe an den Endkunden im Bereich der Lebensversicherungen möglich ist. Denn gegenüber AVL ist die Bafin an das rechtskräftige Urteil gebunden. Bei allen anderen Vermittlern bleibt die Unsicherheit, dass sich die Bafin über das Urteil des Verwaltungsgerichts hinwegsetzt", erläutert Dr. Sasdi. Diese Absicht habe die Bafin möglicherweise selbst mit ihrer Begründung für den Rückzug der Revision signalisiert: Als Grund hat sie angegeben, dass sich der Fall AVL zur Verallgemeinerung nicht eigne.
"Wir begrüßen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt als Bestätigung, dass es rechtmäßig war, unsere Provision für den Abschluss von Lebensversicherungsverträgen weiterzugeben. Dieses Vorgehen werden wir auch in Zukunft unverändert beibehalten", sagt Uwe Lange.